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Bedeutendes Zeugnis deutscher Demokratiegeschichte: Übergabe des restaurierten Wedekindsteins in Hirschhorn am 8. September – Bericht in den Neckartal-Nachrichten

Mit dem Wedekindstein am Hirschhorner Schloss hat es eine ganz besondere Bewandtnis. Er stellt neben dem Hambacher Schloss das einzige bauliche Denkmal zur Erinnerung an die Badische Revolution von 1848/49 dar. Dabei ist der Hintergrund seiner Errichtung 1869 eher tragisch: Ludwig Wedekind wurde 20 Jahre zuvor von den eigenen Leuten erschossen. Am Tag des offenen Denkmals, Sonntag, 8. September, wird das restaurierte Zeitzeugnis ans Land Hessen als Eigentümer des Schlosses übergeben.

Die Restaurierung des Wedekindsteins war eines der Projekte, die der Hirschhorner Stadthistoriker Dr. Ulrich Spiegelberg unbedingt noch realisiert haben wollte. Leider verhinderte sein früher Tod im August vergangenen Jahres die Umsetzung dieses Projektes durch seine Federführung. Im Gedenken und als Verpflichtung sahen sich die Stadt Hirschhorn und die beiden Vereine Freunde der Hirschhorner Altstadt sowie Freundeskreis Langbein’sche Sammlung und Heimatmuseum in der Verantwortung, das Projekt abzuschließen.

Zwar waren der eigentliche Termin und die damit verbundenen Jahrestage (170 Jahre Badische Revolution und dem Gefecht um Hirschhorn und 150 Jahre Errichtung des Gedenksteins durch die Hanauer Turnerwehr) im Juni, doch aus organisatorischen und zeitlichen Gründen

war die Gedenkfeier zu diesem Zeitpunkt nicht möglich. Der „Tag des offenen Denkmals“ ist im Hirschhorner Veranstaltungskalender eine feste Größe und für die Feierstunde der geeignete Termin.

Denn: Eines der letzten Kapitel der Revolution 1848/49 wurde in Hirschhorn geschrieben. 1848 hatten die Deutschen Fürsten dem Volksbegehren nach einem einheitlichen deutschen Staat mit einer Verfassung nachgegeben und damit letztlich dem revolutionären Geist den Wind aus dem Segel genommen. Der „Traum von der Freiheit“ und einem Deutschen Staat war gescheitert.

So kam es zur Revolution in der Pfalz und in Baden. Dort wurde die Republik ausgerufen, die sich nun gegen den Deutschen Bund unter der Führung Preußens zu verteidigen hatte. Längs der Neckar-Odenwald-Linie war eine Verteidigungsstellung gegen die heranrückenden Preußen und Bundestruppen aufgebaut worden. Die Hanauer Turnerwehr, verstärkt durch Heilbronner Turner, war dem Hilferuf der badischen Revolutionäre gefolgt. Das strategisch wichtige Hirschhorn als Ort eines möglichen Neckarübergangs wurde am 13. Juni 1849 von der 1. Kompagnie, 142 Mann stark, besetzt.

Am Abend des 15. Juni kam es zum Gefecht zwischen mit den von Beerfelden herangerückten Bundestruppen – kurhessische Infanterie und bayerische Jäger, verstärkt durch zwei mecklenburgische Geschütze, insgesamt etwa 2000 Mann. Nach einem Vorpostengefecht mit Kanonenbeschuss an der Schneidmühle erfolgte der Angriff auf die Burg, in der sich die Hanauer verschanzt hatten. In diesen Wirren wurde irrtümlich Ludwig Wedekind von den eigenen Leuten erschossen. Heute würde man es „Friendly Fire“ nennen.

Hilfe wurde den Turnern zuteil durch Freischärler, die von Heddesbach aus herangerückt waren und die Bundestruppen im Rücken angriffen. Nach erfolglosem Sturm auf die Burg entschloss sich Oberst Weiss als Kommandeur der hessisch-bayerischen Truppen zum Rückzug, da er seine Stellung ungeschützt vorfand und umfangreiche Verbände von Freischärlern in der näheren Umgebung vermutete. Die Hanauer Turner wiederum verließen Hirschhorn am Morgen des 16. Juni und zogen sich ins benachbarte Eberbach zurück.

Das Gefecht von Hirschhorn blieb im Rahmen der Revolutionsereignisse

eine Episode. Als Achtungserfolg fand es jedoch große Beachtung. 20 Jahre später bekam Wedekind von seinen ehemaligen Kampfgefährten im Rahmen einer Gedenkfeier einen Grabstein gesetzt. Die Gedenkrede hielt der Hanauer Wilhelm Kämmerer als einer derjenigen, die in Hirschhorn gekämpft hatten. Er war erst 1860 wieder aus der Haft freigekommen. Kämmerer erinnerte an die Kampftage, an die Zeit nach dem Scheitern der Revolution mit Jahren von Haft und Verbannung, und an die Gefährten, die in der Emigration gestorben waren.

Gestaltung und Ausmaß des Wedekind-Steines lassen erkennen, dass hier nicht nur an einen Grabstein und eine nachgeholte Beerdigungsfeier gedacht war. Der Ablauf der damaligen Gedenkfeier bestätigte auch deren politischen Charakter, mit dem die Teilnehmer durchaus eine Gefängnisstrafe riskierten.

So traten in Hirschhorn die Hanauer Turner auch 1869 zum zweiten Mal mutig für ihre freiheitlichen und demokratischen Ideale ein. Der Gedenkstein ist als ältestes Denkmal zur Badischen Revolution ein bedeutendes Zeugnis deutscher Demokratiegeschichte. Die Schlussworte von Kämmerer, „bleibt treu den Grundsätzen der Freiheit und Humanität“, sind heute noch genauso aktuell damals.

Programm am Tag des offenen Denkmals, 8. September:

11 Uhr: Burgführung, Treffpunkt im Schlosshof (Eintritt frei). Start der Bewirtung am Food-Truck durch Pepe und sein Team.

14 Uhr: Feierstunde mit symbolischer Übergabe des restaurierten Wedekindsteins und der Hinweistafel an das Land Hessen, begleitet durch den Parlamentarischen Staatssekretär Dr. Michael Meister (CDU)

15.45/16.45 Uhr: Vortrag Archivar Dr. Rüdiger Lenz zum Thema „Badische Revolution 1848/1849 und Auswirkung bis in die heutige Zeit“ (Dauer etwa eine halbe Stunde im Seminarraum unterhalb der Schlossterrasse, Eintritt frei).

17.30 Uhr: Konzert der Katholischen Kirchenmusik Hirschhorn KKM im Schlosshof

 

Quelle: Neckartal-Nachrichten 

Datum: 27.08.2019

Redakteur: Thomas Wilken

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